Neugierig auf Herbst

In Leogang haben sich sieben Hotel- und Gaststättenbetriebe zusammengetan und ein eigenes Herbstprogramm entwickelt. Von Mitte September bis Ende Oktober kann man beim so genannten Herbst Schnuraln den Altweibersommer im 3.000-Seelendorf mit allen Sinnen genießen. Was man mitbringen muss? Interesse am Authentischen, etwas Wanderlust und einen gesunden Appetit. Denn Schnuraln heißt aus dem Pinzgauer Dialekt übersetzt: Neugierig sein, kosten und probieren. Unsere Autorin Johanna Stöckl hat drei Programmpunkte getestet.

Ich liebe Kaspressknödel. Wann immer sie auf der Speisekarte stehen, ob nun in Suppe oder mit Salat serviert, im Gasthaus oder auf der Hütte, schlage ich zu. Selbst gemacht habe ich sie noch nie. Aufmerksam verfolge ich daher Günters Worte, seine geschickten Hände und melde mich freiwillig als seine Küchenhilfe. Beim Kochkurs auf der Abergalm geht es zwanglos zu. Anfangs stehen die männlichen Teilnehmer noch etwas zurückhaltend vor der urigen, 150 Jahre alten Hütte, genießen den Blick auf die Leoganger Steinberge und einen ersten Schluck Bier. Drinnen in der alten Kuchl schneiden wir Frauen eifrig Zwiebel, Brot und Pinzgauer Käse in kleine Würfel. Spätestens als die gekochten Kartoffeln gepresst werden müssen, was erstaunlich kraftaufwendig ist, sind auch die Männer gefragt und somit integriert. Draußen vor der Hütte wird ein langer Holztisch eingedeckt, an dem wir später unsere selbst gekochten Pinzgauer Spezialitäten genießen. Küchenchef Günter Gschier mag das bunte Miteinander: „Ich freue mich jeden Montag auf den Kochkurs. Das ist ein wunderbarer Kontrast zu meinem Alltag.“ Unten im Tal arbeitet der Küchenchef des Salzburger Hofes in einer Hightech-Küche. Hier oben tut’s ein uralter Holzofen. Außerdem gefällt ihm der direkte Kontakt zu seinen Kunden: „Im Tal kann ich mich mit den Gästen kaum austauschen. Hier bleibt genügend Zeit dafür.“ Günters Chef ist auch da. Anton Hörl, Inhaber des Salzburger Hofes, zu dem die lauschig gelegene Alm gehört, führt uns später durch die Hütte und verrät, dass man auf Wunsch hier oben auch übernachten kann. „Der Kochkurs kommt bei den Gästen sehr gut an“, so der Hotelier, „weil das Erlebnis auf der Alm echt ist, kein Klamauk.“

Tags darauf lasse ich mich bekochen. Im Ortsteil Hütten verwandelt sich für die so genannte Tafelrunde eine alte Schmiede aus dem Jahr 1585 in ein Sternerestaurant. Ein kurzer Blick nur durch die große Eingangstür und ich weiß: Dieser Abend wird besonders. Im Werkstattflair inszenieren sich die weiß eingedeckten Tische wie von selbst. Unzählige Gerätschaften hängen an verrußten Wänden. Offenes Feuer brennt im Hintergrund. Man kann das Knistern hören. Draußen auf dem Vorplatz wird der Aperitif gereicht. Dazu gibt es selbstgebackenes Bauernbrot, delikate Aufstriche und köstliches Fingerfood aus der Region. Obwohl ich keinen der anderen Gäste kenne, kommen wir sofort ins Gespräch. Die Vorfreude auf den Abend verbindet uns. Verantwortlich für dieses außergewöhnliche Erlebnis zeichnen sich Hüttwirt René Pichler und Andreas Herbst von der Riederalm. Die beiden Küchenprofis kredenzen ein sechsgängiges Menü der Extraklasse. Ein kurzer Auszug gefällig? Zart wie Butter der Hirschrücken auf Birne-Wacholderschaum. Zum Niederknien das geselchte Rindfleisch mit Steinpilzfarferl. Und die Forelle erst! Sie wird auf einem Apfel-Lavendel-Rotkrautsud serviert. Vom Dessert, einem Grang’n Muas, (Preißelbeer-Schmarren), auf Buttermilchrauch und Rossminze ganz zu schweigen. Zu jedem Gang serviert Renés Frau, Anja Pichler edle Tropfen. Die Küchenchefs erklären, wo die regionalen Produkte genau herkommen und geben gerne die Rezepte preis. Bei einem Glas Wein erzählt René Pichler, wieso er sich diesen zusätzlichen Stress antut: „Ein paar Mal im Jahr zeigen wir gerne, was wir kochtechnisch draufhaben. In der täglichen Routine unserer Betriebe ist für eine derart anspruchsvolle Küche wenig Zeit. Ich führe schließlich einen gehobenen Gasthof aber kein Haubenrestaurant.“ Andreas Herbst sieht es ähnlich: „Die Tafelrunde ich auch für uns Köche ein Highlight.“ Die Veranstaltung kommt nicht nur bei Touristen, sondern auch Einheimischen sehr gut an. „Die Mischung ist spannend. Dorfbewohner und Urlauber an einem Tisch? So oft gibt es das ja auch nicht.“ Dann stoßen die beiden Küchenchefs auf den gelungen Abend an. René Pichler grinst zufrieden und fügt hinzu: „Außerdem sind die Abende, an denen wir zwei unser Menü entwickeln und besprechen, ja auch recht lustig. Da kann es schon mal später werden.“

Auf der Loigam Roas finde ich mich in einer Pferdekutsche wieder. Richtig wohl fühle ich mich anfangs nicht. Eher wie eine Oma. Das Schöne am moderaten Tempo: Man ist schneller als zu Fuß, aber langsam genug um die schöne Herbstlandschaft in seiner Vielfalt wahrzunehmen. Unser Ziel: Drei traditionelle Bauernhöfe. Auf der Sinnlehenalm weiht uns Biobauer Hans Scheiber in die Geheimnisse der Käseproduktion ein und zeigt uns sein Allerheiligstes: den Käsekeller. Auf der Terrasse vor der Hütte verkosten wir danach die guten Laibe. Dann klingelt sein Handy und er springt auf. „Ihr müsst mich jetzt entschuldigen. Eine meiner Kühe hat sich nach einem Sturz den Fuß gebrochen.“ Und fort ist er. Beim Zieferbauern empfängt uns Familie Perwein im Feiertagsgewand. Maria im feschen Dirndl, Rupert Perwein in Lederhose: „Griaß enk! Schee, dass ihr da seid’s bei uns am Hof.“ Sogar Junior Bernhard ist da. Der Familienbetrieb ist bekannt für seinen Ab-Hof-Verkauf. Eier, selbst gebackenes Bauernbrot und Fruchtjoghurt aus eigener Produktion können hier erworben werden. Nach einer Hof- und Stallführung probieren wir die Köstlichkeiten im Garten ehe es zum letzten Programmpunkt dieser Reise geht. In die Schnapsbrennerei. Erna und Leonhard Tribuser erläutern den langen Prozess von der Obsternte bis zur Abfüllung der Destillate und servieren Kostproben ihrer preisgekrönten Edelbrände und Liköre. Ein paar Schnäpse später freue ich mich richtig, dass die Kutsche vor der Tür steht und uns nach Hause bringt. Als ein plötzliches Gewitter aufkommt, wird die Fahrt so richtig lustig. Die Frauen kreischen und verkriechen sich ihren Jacken, während die Männer laut „Hoch auf dem gelben Wagen“ singen.

Mein Fazit nach drei Tagen in Leogang: Herbst Schnuraln macht Spaß und ist kommunikativ. Man spürt, dass die Dorfbewohner selbst und nicht irgendwelche Marketingstrategen das Programm entwickelt haben. Erstaunlich auch, wie gut Hotelbetriebe und Gaststätten, die ja streng genommen Konkurrenten sind, kooperieren. Jeder zeigt sein Bestes. In der Summe ist das richtig gut.