Die Boulder-Royals
Interview von Johanna Stöckl
Ladies first. Anna, du bist das Gesicht der EOFT Filmtour 2011 /2012. Wie fühlt es sich an, sich selbst auf großen Plakaten zu sehen?
Anna Als ich den Flyer sah, fand ich das richtig cool. Aber der erste Blick auf die A3 Plakate hat mich irgendwie erschlagen. Es ist schon ein komisches Gefühl sich selbst so groß zu sehen. Aber natürlich ist es mir auch eine Ehre.
In “A Female Tale” sieht man dich mit Juliane Wurm und Lynn Hill beim Rissklettern in Utah. Was nimmst du von diesem Klettererlebnis mit?
Anna Die Begegnung mit Lynn war richtig toll und intensiv. Was ist das für eine lässige Frau! Was für eine starke Persönlichkeit! Leider saßen wir viel im Regen. Das eigentliche Klettern beschränkte sich daher auf zwei Tage. Ich hätte gerne mehr Erfahrung im Legen von Selbstsicherungen mitgenommen, aber dafür blieb leider kaum Zeit. Aber Lynn persönlich kennen zu lernen war insgesamt eine riesen Bereicherung.
Kilian, auch du hast auch bereits Filmerfahrung. In „Climbing Elements” wurde ein eindrückliches Porträt von dir erstellt. Wie anstrengend waren für dich die Dreharbeiten?
Kilian Mir war wichtig, den Film möglichst echt zu gestalten. Also haben wir viel während des Durchstiegs gedreht, was doppelt anstrengend war. Ziel des Films war ja, ein breiteres Spektrum an Zusehern anzusprechen, daher kamen zur Filmerei in den Wänden auch noch zahlreiche Szenen in der Stadt, im Alltag dazu. Als endlich alles abgedreht war, brauchte ich dringend eine Kamerapause.
Ist ein guter Boulderer eigentlich auch zwangsläufig ein guter Kletterer und umgekehrt?
Kilian Nun, beide Sportarten haben dieselben Wurzeln. Während Bouldern vielleicht höhere Schwierigkeiten aufweist, geht Klettern mehr in den Ausdauerbereich. Aber sicher sind z.B. die Huberbuam auch gute Boulderer. Und ich ein guter Kletterer. An der Weltspitze allerdings wird der Unterschied dann deutlich.
John Bachar einmal gesagt hat: „Bouldern ist das Höchste der Kletterkunst“. Stimmt ihr dem zu?
Anna Jeder kann beim Klettern seine Kunst, also seinen höchsten persönlichen Level finden. Dem einen taugt das Alpinklettern mehr, dem anderen das Sportklettern und manch anderem eben das Bouldern. Und alle haben jeweils eine riesen Gaudi bei dem, was sie tun.
Ich denke John Bachar meinte damit die Schwierigkeiten und das puristische Element des Boulderns, also Klettern ohne Seil.
Kilian Wenn man diesen Satz rein auf die Schwierigkeit bezieht, kann man das eventuell so stehen lassen. Da man beim Bouldern bekanntlich nicht in einer 2000 Meter hohen Wand hängt, kann man sicher leichter an sein Limit gehen. Ich für meinen Teil würde es aber nicht so interpretieren. Ich kann nicht sagen, dass Bouldern die höchste Form des Kletterns ist. Also, wenn – bleiben wir einfach beim Beispiel – die Huberbuam Eternal Flame am Nameless Tower frei klettern, dann ist das auch hohe Kletterkunst.
Ihr lebt beide in Innsbruck. Welche Trainingsbedingungen findet ihr dort vor?
Anna Wir lieben unser Kletterzentrum Tivoli, allerdings ist es auch schon ein wenig in die Jahre gekommen. Vor allem der Boulderraum ist klein und zu niedrig. Und weil es eine große Szene gibt, ist er auch entsprechend überfüllt. Aber der Hallenbetreiber ist der Wahnsinn.
Kilian Wir bekommen vom ihm sogar den Schlüssel, um in Ruhe trainieren zu können. Auf uns wird in Innsbruck perfekt eingegangen. Aber die Wand könnte in der Tat besser sein. Sie entspricht nicht mehr den Standards.
Trainiert ihr gemeinsam?
Anna Ja und ich bin richtig happy darüber. Ich habe dadurch einfach mehr Lust ins Training zu gehen.
Kilian Als Paar können wir die Klettertage wunderbar gemeinsam koordinieren. Das ist einerseits reines Training, aber auch Zeit, die man gemeinsam beim Sport mit seinem Partner verbringt. Das ist schon lässig.
Wann hat es eigentlich zwischen euch beiden gefunkt?
Anna Wir kennen uns schon lange, da wir ja seit vielen Jahren gemeinsam durch den Weltcup tingeln. Aber seit drei Jahren sind wir ein Paar.
Gesetzter Fall: Du willst Anna einen Heiratsantrag machen. Wie könnte er aussehen, wo würde das stattfinden?
Kilian (Lacht) Würde ich das wissen, hätte ich es schon gemacht! Nein, Scherz! Wer sagt denn, dass wir überhaupt heiraten. Oder Anna? (Anna grinst und schweigt)
Spielt das Fitness-Studio eine Rolle in eurem Trainingsplan?
Anna Viele aus der Weltcupserie trainieren im Fitness-Studio, aber ich kann mich dafür nicht begeistern. (Lacht) Gwichtln schupfn ist einfach nicht meins. Gemeinsam mit meinem Trainer Rupert Messner habe ich daher alle Übungen an die Wand verlegt.
Stören oder puschen euch die Zuschauer bei den Wettkämpfen?
Anna Ich brauche das. Je mehr Leute da sind, je lauter es ist, umso besser. Mir kommt es zugute, wenn das Publikum mitgeht. Also, wenn ein Weltcup bei uns daheim stattfindet, ist das wirklich genial.
Kilian Klar, zu Hause ist das Publikum schon sehr speziell. Aber auch bei Wettkämpfen in Amerika z.B. sind die Zuschauer enthusiastisch. Wenn man voll am Limit ist, dann kommt über das Publikum eine Welle von hinten, die einen regelrecht nach oben trägt.
Bekommt ihr bei Weltcupbewerben eigentlich mit, wie es dem Partner geht?
Kilian Wir klettern teilweise sogar zeitgleich und mehr oder weniger nebeneinander. Es gibt Situationen, da könnte ich der Anna die Hand reichen.
Lenkt das nicht ab?
Kilian Also leichter ist es sicher, wenn wir zeitversetzt klettern. Die Qualis finden immer unterschiedlich statt. Das Halbfinale klettern wir gemeinsam. Aber bei 20 Startern ist es unwahrscheinlich, dass wir die gleiche Position haben. Im Finale allerdings ist das schon oft passiert.
Anna Optimaler Weise kann man das total ausblenden. Aber es ist nicht leicht, sich zu voll zu konzentrieren und fokussieren.
Kilian Wenn ich über das Publikum spüre, dass es bei Anna gut läuft, ist alles bestens. Wenn dem aber nicht so ist, kann das mitunter unangenehm sein.
Statur, Kraft, Technik, Kopf – was ist beim Bouldern am Wichtigsten?
Anna Das technische Niveau an der Weltspitze ist ziemlich ausgereift und fast gleich. Dann kommt es auf eine gute Mischung aus Kopf, Kraft und körperlicher Fitness an.
Ist einer wie Adam Ondra mit seinen langen Gliedmaßen im Vorteil?
Kilian Prinzipiell hat Adam sogar über seine langen Hebel eher Nachteile. Aber er ist eben eine echte Ausnahme. Von den Maßen her kann man ihn nicht als den idealen Kletterer definieren. Der Idealtypus ist circa 1,70 groß, wiegt wenig und hat einen gut durchtrainierten Oberkörper. Aber entscheidend ist ja auch, wie groß dein Bewegungsrepertoire ist. Und dann brauchst du auch mentale Stärke.
Welche anderen Sportarten treibt ihr?
Anna Wir gehen im Sommer viel Mountainbiken und im Winter machen wir Skitouren. Mein Papa gibt uns als Bergführer immer gute Tipps.
Wie viele Klimmzüge schaffst du eigentlich?
Kilian Ich kann es echt nicht sagen, weil es mir nicht wichtig ist und ich nie Klimmzüge bis zum Umfallen mache.
Ihr studiert beide Englisch und Sport in Innsbruck. Wie oft sieht euch die Uni?
Anna Im Wintersemester mehr als im Sommer. (Lacht) Ich sehe das Studium eher als ein Langzeitprojekt.
Ein geringes Körpergewicht ist beim Bouldern sicher von Vorteil. Wie viel Verzicht bedeutet das?
Anna Wir ernähren uns ausgewogen, aber verzichten auf nichts. Ich stehe zu meiner Schwäche für Gummibären und Schokolade.
Kilian Ich könnte und möchte nicht auf gutes Essen verzichten. Das ist doch Lebensqualität. Ein Schnitzel oder ein paar Knödel müssen immer drin sein.
Klettern bzw. bouldern Frauen ästhetischer als Männer?
Kilian Ja, das kann ich so unterschreiben. Frauen klettern grundsätzlich ästhetischer. Vor allem das Seilklettern sieht bei Frauen einfach schöner aus. Wobei die Anna einen sehr kraftvollen Stil hat. (Lacht) Sie ist nicht gerade der Oberästhet. Anna reißt an und – wusch – ist sie auch schon oben. Kraft und Dynamik spielen nämlich beim Bouldern eine große Rolle.
Anna Also ganz ehrlich, technisch können wir Frauen mit dem Männern absolut mithalten. Wenn wir nicht manchmal sogar besser sind. Uns unterscheidet nur die Kraft und rein anatomisch die Reichweite. Kili erreicht Griffe, an die ich gar nicht herankomme. Aber technisch bin ich ihm nicht unterlegen, oder Kili?
Kilian Erst kürzlich bin ich bei einem rein technischen Boulder sechs Mal runter gefallen. Und die Anna hat’s beim ersten Versuch gepackt.
Anna Mir gefällt, dass beim Boulderweltcup Frauen und Männer gemeinsam starten. Als Zuschauer hat man die Möglichkeit, sich Frauen und Männer zeitgleich anzuschauen. Wo gibt es denn das sonst im Sport?
Kilian Bei manchen Veranstaltungen geht das sogar soweit, dass das Publikum nur den Frauen zuschaut, wenn es bei denen gerade besonders spannend ist. Und wir Männer? (Lacht) Stehen dann im Abseits.