Kaspressknödel & Backhendl mit Hansjörg Auer
Denn, das haben Planschbecken so an sich: Man kommt sich darin näher. Hansjörgs Sponsor The North Face hat eine kleine, intime Runde von österreichischen Journalisten in Hansjörgs Heimat, nach Umhausen eingeladen. Im 3000 Seelendorf im Ötztal geht’s Anfang Mai um nix, um rein gar nix. Auch die Pension Schöpf hat eigentlich so kurz nach Saisonende zu, sperrt aber extra für uns auf. Nach dem „Check In“ von Irene Rapp (Tiroler Tageszeitung), Axel Jentzsch-Rabl (Alpinverlag bzw. Bergsteigen.at), Nikole Trinker (Krauts PR) und mir, wechselt Rosalinde Schöpf das Schild „Zimmer frei“ auf „Besetzt“.
Eigentlich wollte ich abends im Gasthof Krone ein kurzes Interview mit Hansjörg, der auf dem Rennradl anrauscht, führen. Aber irgendwie passt es nicht. Stimmung viel zu lässig und gemütlich. Würde stören. Mach ich morgen, am Ende gar nicht. Außerdem hat der Profi wenig Zeit, denn in Umhausen ist heute Frühlingskonzert, spielt also in der Turnhalle der örtliche Musikverein auf. Da muss er, selbst Musiker, natürlich hin, so hat er’s vor, weil da auch einer von drei Brüdern (eine Schwester hat er auch) auftritt. Daraus wird nix, weil wir uns mit ihm verratschen. Sorry Hansjörg, you missed the show! Dafür gibt’s Backhendl und Schnitzel, Grammelschmalz vom Allerfeinsten und was Süßes hinterher.
Seine Familie wohnt hier gleich ums Eck, auf einem Bauernhof. Froh ist er, dass sein Bruder den Hof übernimmt, nicht er das machen muss. So kann er weiter seinem Traum, dem Klettern, nachgehen. Wohnen tut der Hansjörg ja eigentlich in Innsbruck, in einer WG mit Much Mayr, aber daheim im Ötztal ist er auch oft. Gelernter Beruf: Lehrer. Richtig ausgeübt hat er ihn aber nur ein paar Monate. Bergführer ist er auch. Den Titel trägt er zwar, aber mit Kunden zieht er kaum noch los. Er geht nur so, für sich, zum Klettern.
Jedoch: eine Kinderklettergruppe im Ötztal, die trainiert er immer noch, weil’s so lustig ist und er Kinder mag. Ach ja, Fußballschauen tut er gern und häufig in der Gruppe. Wenn große Spiele anstehen, kommt in Innsbruck auch der David Lama rüber. Mit Anna Stöhr und Kilian Fischhuber fährt er über Silvester immer weg. Und weil’s mir so grotesk erscheint und ich ja vom Planschbecken gesprochen hab, muss ich es jetzt erwähnen: Schwimmen kann er wohl a bissal, mag er aber nicht. Wird das Wasser tief, sagt der Free-Solo-Kletterer, bekommt er Angst (!). Deep Water Soloing ist daher nix für ihn.
Von wegen Präsentation und so. Sein weißes Mac Book wirft er erst an, als wir ein paar Fotos sehen wollen. Freundlich ist er und total bescheiden. Als personifiziertes Understatement begegnet er uns richtig kumpelhaft. Kein Heldenepos, null One-Man-Show. Wir schnufeln uns durch seine Festplatte und sehen witzige Videos aus Zelten, in denen es mehr ums Essen Kochen als ums Klettern geht, aber auch beeindruckende Bilder. Vor allem jene aus dem hintersten Ötztal, wo er Mitte März dieses Jahres am Kirchkogel (3280 m) gemeinsam mit seinen Brüdern und Ben Lepsant die Kristallwand durchstiegen hat, sind abgefahren, richtig mystisch.
In der zweiten Seillänge hat er einen alten Bohrhaken gefunden. Schon mal einer hier gewesen. Aber wer? Einheimische Bergfexe, deutlich über 80, haben ihm erzählt, dass der vom Hermann Buhl stammt, der sich vor 60 Jahren schon mal in dieser Wand versuchte. Am stärksten allerdings beeindruckt mich das qualitativ schlechteste Foto, das uns Hansjörg an diesem Abend zeigt. Das Bild, mit seinem Handy aufgenommen, zeigt nichts weiter als sein Gesicht, ist aber nicht irgendein Porträt, nein, es ist d a s Porträt!
Aufgenommen unmittelbar nach seiner Free Solo Begehung „Der Weg durch den Fisch“ in der Marmolata Südwand. Fast auf den Tag genau vor fünf Jahren ist dieses Foto aufgenommen worden, Gänsehaut beim Anschauen kriegt er immer noch. Ich sowieso. Entrückt, nicht von dieser Welt, geschockt, ja traumatisiert, einfach schrecklich schaut er darauf aus. Die Frage, warum er das macht, erspare ich mir. Später gibt er aber zu: „Ich muss das immer mal wieder tun. Es überkommt mich einfach.“ Mama weint natürlich, wenn er solo klettert, daher sagt er mittlerweile, dass er zum Fotografieren geht.
Tags darauf. Stuibenfall-Klettersteig. 9 Uhr. Einstieg. Hansjörg wieder bester Laune. Ich angespannt wie er im tiefen Wasser, will mich ja nicht blamieren. Klappt aber gut und reibungslos. Schöner Steig, mehr oder weniger am Wasserfall entlang. Zum Fotografieren komme ich kaum, zu ausgesetzt, muss mich konzentrieren. Zum Glück gibt’s immer mal wieder ein Platzerl, an dem man entspannen und wieder endlos lang mim Auer ratschen kann. Zurück geht’s über einen Wanderweg. Handys wieder auf Empfang. Axel Jentzsch-Rabl, der grad beim Hausbauen ist, wird ständig von der Baustelle aus angerufen, worüber wir uns köstlich amüsieren.
Auch beim Hansjörg klingelt’s mehrmals. Iker Pou ist dran. Er und sein Bruder Eneko gehen nämlich mit Hansjörg und Ben Lepsant Ende Mai nach Baffin Island, an die Ostküste hoch im Norden, in etwa da, wo Stefan Glowacz schon einmal war. Im „Perfection Valley“ wartet/n eine (oder mehrere ?) unbestiegene Bigwall(s) auf die Truppe. Außer ein paar Bildern, die ein Wissenschaftler geschickt hat, gibt es wenig Infomaterial dazu. Stefan Glowacz hätte ihm viel über die Region erzählt, ihm Tipps gegeben und Glück gewünscht. Spannend. Auch die Anreise. Über einen (noch) zugefrorenen Fjord geht’s mittels Motorschlitten in die Region. Dort werden die Burschen samt Material von den Inuit abgesetzt und allein zurückgelassen. Erst Ende Juli, wenn der Fjord schiffbar ist, von einem Boot wieder abgeholt.
Im Waldcafe Stuböbele essen wir in der Sonne noch Kaspressknödel bevor wir uns verabschieden. Ein Satellitentelefon wird Expeditionsleiter Auer zwar in Baffin dabei haben, aber Blog ist wohl eher keiner zu erwarten. Also werden wir uns gedulden müssen. Alles Gute Hansjörg Auer! Danke für die lässige Zeit mit dir und: wenn du mir deine Satphone-Nummer gibst, ruf ich dich in Baffin an um dir die Fußball-Ergebnisse der EM zu tickern ☺!