Wir sind lebende Fossilien
Der Film „Die Bayerische Direttissima – Huberbuam extrem – wird am Freitag, den 26.04.2013 um 20.15 Uhr in „Bergwelten“ auf Servus TV erstausgestrahlt. Johanna Stöckl hat sich mit den sympathischen Bergsteigern unterhalten. Ein Gespräch über das Altern, Nachlassen der Maximalkraft, über Zukunftsängste, Visionen und lange Haare als Markenzeichen.
In welchem Alter warst du, Thomas, als Kletterer auf deinem Zenit?
Thomas Eine schwierige Frage, weil das, was wir bergsportlich machen, nicht auf eine Disziplin reduziert werden kann. Als Kletterer war rein leistungsbezogen und numerisch 8c+ das Maximale, was ich geklettert bin. Allerdings erst im Alter von 35 Jahren. In früheren Jahren hatte ich nämlich mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Mit 21 Jahren hatte ich einen schweren Bandscheibenvorfall. Alleine diese Geschichte warf mich mindestens um ein Jahr zurück.
Das Klettern war bei mir, bei uns, aber immer vermischt mit Alpinismus und somit war der Zenit nie wirklich erreicht. Ich denke mit etwas Trainingsaufwand könnte ich auch heute noch 8c+ klettern. Vielleicht sogar ein bisschen mehr? In Relation zur neuen Klettergeneration zeigt sich vielmehr, dass die Leistungsspitze heute ganz woanders liegt als vor 20 Jahren.
Im Alpinismus war mein Höhepunkt vielleicht 2001 die Erstbesteigung des Ogre III und zwei Wochen später die 2. Besteigung des Ogre. Oder war es vielleicht 1997, Latok II SW Wand oder Mount Asgard 2012? Jeder großer Erfolg war ein Highlight in meinem Leben als Bergsteiger, denn ich habe überall 110 Prozent gegeben.
Was war - im Rückblick - deine größte Leistung als Kletterer?
Alexander Als Sportkletterer war ich ganz klar 1994 auf meinem Zenit. Mit der „Weißen Rose“ kletterte ich damals die erste Route im oberen elften Grad. Auch wenn ich 1996 mit „Open Air“ nochmal nachlegte, so hatte ich zwei Jahre zuvor einfach die höhere Leistungsdichte. (Lacht) Danach ging´s nur noch bergab. Das hatte natürlich zum einen mit dem Alter zu tun, mit gut 28 Jahren hat man seinen Zenit in der Maximalkraft einfach überschritten. Zum anderen aber auch mit der Tatsache, dass ich mich umorientierte. Ich wollte mein Freikletterkönnen auf große Wände an großen Bergen der Welt umsetzen. Und genau da bin ich auch heute noch aktiv.
In diesem doch sehr breiten Feld der Aktivitäten eine „beste“ Leistung herauszuziehen, geht für mich nicht. Aber wenn ich mehr als nur ein Highlight aufzählen darf, dann sind es der obere elfte Grad im Sportklettern, die Westwand am Siebentausender Latok II, die Free-Solo-Begehung der Direttissima und die Freikletterrouten am El Capitan, im Großen Dach der Westlichen Zinne und am Ende die erste Rotpunktbegehung der Eternal Flame. Auf weniger kann ich es einfach nicht reduzieren, weil es sich um an sich jeweils grundverschiedene Richtungen im Alpinismus handelt.
Thomas, 2011 wurde bei dir ein gutartiger Nierentumor diagnostiziert und entfernt. Jetzt wieder erfolgreich auf Expeditionen gehen zu können, ist sicher ein besonderes Gefühl. Hat dich dieser Einschnitt verändert?
Thomas Er hat mich gestärkt, alles in meinem Leben relativiert. Was ist schon ein Gipfelerfolg im Gegenzug zum Leben? Seit 2011 sehe ich tatsächlich alles etwas gelassener. Niederlagen werden als Baustein des Lebens angenommen und dienen mir gleichzeitig als Motivation, den nächsten Schritt anzugehen. Weißt du, wenn man einmal vor diesen Abgrund gestanden ist und dann so viel Glück haben darf wie ich, dann kann man nur noch sagen: Das Leben ist einfach nur schön und ich darf es noch dazu als Bergsteiger erleben.
Alexander, wenn du heute die jungen Kletterer, wie z.B. David Lama oder Adam Ondra verfolgst, was löst das in dir aus? Bewunderung? Wehmut? Freude?
Alexander Das löst vollen Respekt in mir aus. Und klar würde ich gerne heute mit den Jungen auf dem gleichen Level rumreißen können. Aber ich habe meine Zeit gehabt und bin mehr als glücklich für das, was mir geschenkt wurde: eine verdammt gute Zeit! Mich freut es vor allem, dass das Klettern auch heute noch so spannend ist und sich nicht totgelaufen hat. Denn interessant ist ein Sport nur dann, wenn es Potential zur Weiterentwicklung gibt. Die Welt der Berge hält noch viele Herausforderungen für die kommenden Generationen bereit. Ich freue mich über alles, was ich davon noch miterleben darf.
Mit 44 und 46 Jahren noch ein "Huberbua" zu sein, ist doch was Schönes, oder? Habt ihr mit eurem Namen auch ein Stück "ewige Jugend" gepachtet?
Thomas Ich finde den Namen „Huberbuam“ einfach super. Er passt zu uns. Ich glaube keiner spricht diesen Namen heute aus und denkt dabei an zwei junge Hüpfer. Man weiß, dass hinter diesem Namen zwei „Midage“ Brüder aus Bayern stecken, die klettern und lange Haare haben. Unser Name ist tatsächlich so etwas wie eine Marke geworden.
Alexander, wo siehst du dich in zehn Jahren?
Alexander Keine Ahnung. Ich mache mir wenig Gedanken darüber. Was ich relativ sicher sagen kann, dass ich auch weiterhin ein Bergsteiger aus Leidenschaft sein werde. Der Rest wird sich wohl von selbst ergeben. Mit meinen 44 Jahren bin ich ein lebendes Fossil unter den Kletterern, aber es macht mir einfach nach wie vor viel Spaß. Und wenn ich mir meinen Vater anschau’, dann seh’ ich jede Menge Gründe zum Weitermachen.
Ihr gehört nach wie vor zu den Frontleuten im Alpinsport. Wie geht ein erfolgreicher Bergsteiger, Kletterer mit dem Altern um? Trainiert man mehr? Kompensiert die Erfahrung vielleicht ja sogar die sinkende Leistungsfähigkeit?
Thomas Das Altern ist ein Prozess, dem man durchaus positiv begegnen kann. Mit den jungen Sportkletterern können wir nicht mehr mithalten. Da könnten wir trainieren bis die Finger bluten, da führt kein Weg mehr hin. Allerdings heißt das ja noch lange nicht, dass wir jetzt aufhören müssten. Hat nur eine „Topleistung“ ihre Daseinsberechtigung? Mir macht es nach wie vor großen Spaß zu trainieren und zu klettern. Wenn es mal nicht so läuft, kann ich richtig angefressen sein, was beweist, dass ich nach wie vor emotional voll dabei bin.
Ich bin Bergsteiger und Kletterer, durch und durch. Ich würde niemals wegen mangelnder Leistungsfähigkeit aufhören. (Lacht) Auch wenn man das, was wir heute im Sportklettern leisten, als „Seniorenklettern“ bezeichnen könnte, so können wir genau mit diesen Fähigkeiten immer noch Highlights setzten wie eben auf Baffin Island. Was ist denn Erfolg? Im Wettkampf ist es sehr einfach. Der Beste an einem Tag gewinnt. Aber Bergsteigen ist kein Wettkampf. Da sind viele andere Parameter entscheidend. Und vielleicht ist es eben eine Mischung von vielen Aspekten, die einen quasi erfolgreich macht: Die Erfahrung tausender Klettermeter, die Neugier Neues zu wagen, die Lust am Training, der Mut zum Scheitern und die Freude am Leben. Das alles können wir aufweisen.
Kinofilm "Am Limit" 2007. Im Rückblick, war das die Rolle eures Lebens?
Alexander Oft wird behauptet, dass der Film „Am Limit“ unser ganz großer Durchbruch war. Das stimmt bis zu einem gewissen Punkt sicher. Andererseits war eine breite Bekanntheit davor Voraussetzung für das Entstehen des Kinofilms. Deswegen erkläre ich es lieber so, dass uns „Am Limit“ auf unserem Weg weitergetragen hat. Für mich persönlich waren die Erlebnisse rund um den Film eine echte Bereicherung in meinem Leben.
Kennt Thomas Huber Zukunftsängste? Andersherum gefragt: Seid ihr mittlerweile so populär, dass ihr auch langfristig von Vorträgen leben könnt? Seid ihr eine Art Reinhold Messner im Doppelpack?
Thomas Uns macht es einfach Freude Vorträge zu entwickeln und zu halten. Das können wir sicher noch länger. Aber wir sind bestimmt keine „Messners“. Reinhold ist und bleibt einzigartig. Aber wir durften als Huberbuam auch einiges schaffen. Vielleicht kann man es so resümieren: Ich war bis jetzt als Bergsteiger unterwegs und den Rest möchte ich auch als Bergsteiger erleben. Und so freue mich auf die neuen Herausforderungen, ohne wissen zu wollen, welche es sein werden. Nur so bleibt doch das Leben spannend. Ich habe alles, was ich brauche: eine gesunde Familie, einen Bruder, der mein Kletterpartner ist, einen gesunden Geist und Körper und immer noch die Neugierde wie der kloane Huberbua von damals.
Wie hat sich dein Leben als Bergsteiger seit der Geburt deiner beiden Kinder verändert? Ist Alexander Huber ruhiger geworden?
Alexander Ich bin sicher ruhiger geworden. Zumindest bin ich nicht mehr so ausschließlich auf das Klettern und Bergsteigen fixiert wie früher. Das bringt aber das Leben mit den Vorträgen und all den anderen Verpflichtungen, die eher mehr anstatt weniger werden, ohnehin mit sich. Ich denke es liegt einfach am Alter, dass man ruhiger wird. Allerdings, das gebe ich zu: Heute zieht es mich nach dem Erreichen eines Expeditionsziels definitiv schneller nach Hause als früher.