Der Schneeflüsterer
Peter Hörl betreibt neben der Landwirtschaft auch einen Gasthof und zwei (!) Schlepplifte, die an kein Skigebiet angeschlossen sind. Hörls Pisten sind steil und anspruchsvoll. Außerdem gilt der 50-jährige Landwirt bei den Weltcup-Assen als der beste Pistenchef der Welt. Seine Perfektion die Trainingsstrecken zu präparieren, zieht die Crème de la Crème des Weltcupzirkus an den Hinterreitlift. Am vergangenen Mittwoch war die TZ zu Besuch beim Schneeflüsterer aus dem Salzburger Land.
Großes Kino im Morgengrauen. Maria Höfl-Riesch, Vicky Rebensburg und Kathi Hölzl haben sich zum Riesentorlauftraining angekündigt. Für drei Stunden haben die Damen die Rennstrecke gemietet. Peter Hörl ist seit 5.30 Uhr auf den Beinen, und das obwohl er nachts um 2 Uhr noch im Stall stand. Dort gab es nämlich Nachwuchs. Um 7 Uhr jedenfalls wirft er für die deutschen Skiasse den Lift an. „Maria, Vicky und Kathi starten heute besonders früh, sie müssen mittags nach Andorra.“
Maria, welche hier am Vortag beim Slalomtraining stürzte und sich schmerzhafte Prellungen zuzog, lacht schon wieder und scherzt mit Peter, welcher sich natürlich nach ihrem Befinden erkundigt: „Mit Schmerztabletten geht‘s schon, Peter.“ Man umarmt und herzt sich. Kurz nach 10 Uhr verschwinden die deutschen Skimädels gut gelaunt und eifrig winkend in Richtung Flughafen. Keine Stunde später tauchen neben den österreichischen Slalom-Assen Manfred Pranger und Reinfried Herbst die US Skiladies Lindsey Vonn und Julia Mancuso samt Trainerteam und Servicebrigade auf.
Mittendrin wieder: Peter. Man lobt erneut den Zustand seiner Abfahrten: „Peter hat’s einfach drauf. Er macht die besten Rennpisten im gesamten Weltcupzirkus. Bei ihm finden wir immer perfekte Trainingsbedigungen vor“ schwärmt Lindsey Vonn, die gerade ihr fünfzigstes Weltcuprennen gewonnen hat. Peter verrät, dass er eigens für „die Lindsey“ etwas hat machen lassen. Eine schöne Vase mit Gravur wird er ihr später überreichen. „Zum Fünfzigsten muss ich ihr schon gratulieren!“ Als die Alpinstars nach dem Mittagessen geschlossen abrücken und Ruhe einkehrt am Hinterreitlift hat der Pistenchef Zeit zum Plaudern. Der Schnee und er, das sei eine lange und innige Beziehung.
Bereits als Schulbub habe er sich den Schulweg ins Tal in den Wintermonaten eigenhändig freigeschaufelt. Als sein Vater dann 1972 einen Schlepplift baute, war Peter erst nur für die Präparierung der Liftspur, später dann auch für die der Pisten zuständig. Und so sei er da eben hineingewachsen. „Schnee, das ist mein Medium.“ Damit kennt Hörl sich einfach aus. Auch mit seiner Beschneiungslage und seinem Ein und Alles, einem sündhaft teuren Bistenbully. Stolze 350.000 Euro hat er dafür hingeblättert. Um 17 Uhr bittet er zu einer gemeinsamen Fahrt und gibt dabei ein paar Geheimnisse seiner Künste preis. „Mit meinem Pistengerät fahre ich nie schneller als 8-10 km/h. Das mag die Piste.“
Außerdem arbeitet er seit kurzem mit einem angehängten Spezialgerät, einem Art Rüttelpult, das den Schnee verdichtet und somit hart macht. Wasser setzt er der Piste keines zu. „Schön hart sollten sie sein, die Pisten, aber nicht vereist.“ Im Normalfall verbringt er sechs Stunden täglich in der Pistenraupe auf seinem Hang. Bei starkem Schneefall freilich länger. Von Winkeleinstellungen der Schaufel ist die Rede, von Druck und Schubkraft, von Nachlauffräse, Idealtemperatur und vom Klang des Schnees. Niemals würde er in seinem Pistengerät Radio hören, denn: „Ich muss die Geräusche des Schnees deutlich wahrnehmen können, um ihn zu verstehen.“ Um den Schnee zu verstehen? „Ja, ich kommuniziere mit dem Schnee! Ich höre ihm zu und manchmal spreche ich sogar mit ihm!“