Ein perfektes Wochenende in Radein, Südtirol

Dem Alltag will ich kurz entfliehen, etwas Sonne, Wärme und erste Frühlingsgefühle tanken. Da mein Auto in der Werkstatt steht, muss ich mit dem Zug los. Mit dem Ticket „Europa-Spezial“ der Deutschen Bahn komme ich nicht nur entspannt, sondern auch noch richtig günstig in den Süden.

Freitag

13.30 Uhr, Bozen. Die angenehmen Temperaturen lassen mich den Winter bereits am Bahnsteig vergessen. Ein schneller Cappuccino noch in den Lauben und los geht’s. Ich will den Ötzi sehen und flaniere ins Südtiroler Archäologie-Museum. Auf vier Etagen erfahre ich in einer Sonderausstellung alles rund um die Gletschermumie, die 1991 in den Ötztaler Alpen gefunden wurde, und bin begeistert, als ich ihn schließlich durch das Fenster seiner Kühlzelle leibhaftig bestaunen kann. Sensationell auch der Empfang, den mir Renate Ortner am Spätnachmittag bereitet. Die fesche und überaus sympathische Österreicherin lebt seit vielen Jahren in Südtirol, führt als Direktorin das Hotel Villa Berghofer in Radein, meinem Refugium für die nächsten beiden Tage, und hat mir bei der Buchung netter Weise angeboten, mich in Bozen abzuholen.

40 kurzweilige Kilometer und eine gute halbe Stunde später komme ich in einer anderen Welt an. Auf 1500 Metern Höhe gelegen, zelebriert man in der Villa Berghofer die Ruhe, Abgeschiedenheit, Weite, Einsamkeit und die Natur. In den Sechziger Jahren erbaut, im Jahr 2000 liebevoll saniert, strahlt das Hotel einen zauberhaften Charme aus, dem man bereits beim Check-In an der kleinen Rezeption erliegt. Es fällt schwer, dem Hotel in ein paar Worten gerecht zu werden. Das etwas antiquierte, aber irgendwie edle Wort „Sommerfrische“ kommt mir da in den Sinn. Hier ist alles so wie früher, als man die Bergwelt erstmals als Erholungsort entdeckte, um sich vom Stadtleben zu erholen. Wobei die Zeit natürlich nicht stehen geblieben ist. Auf Luxus muss man in der Villa Berghofer freilich nicht verzichten. Aber das Moderne versteckt sich raffiniert hinter alpiner Tradition. Mein Zimmer trägt den Namen eines Berges, „Hoher Dieb“. Geräumig ist es, hell und still. Wie gemütlich, der Holzboden knarrt, als ich die Balkontür öffne. Es ist an der Zeit, mein Handy auszumachen. Ich versinke in der Ruhe.

Kurz vor dem Abendessen gönne ich mir einen Aperitif an der süßesten Hotelbar, die ich je gesehen habe. Auf der großen Holzveranda davor hat man einen atemberaubenden Blick auf die Berg- und Reblandschaft Südtirols. Noch ist es abends zu kühl, um draußen zu essen, aber im Sommer muss das der Gipfel der Genüsse sein. Massimo Geromel, der junge Küchenchef, verarbeitet getreu dem Motto „Cilometro Zero“ (null Kilometer) ausschließlich Produkte aus dem eigenen Garten und der Region. Sein Safranrisotto werde ich nie vergessen. Unvergessen auch meine erste Nacht in einem echten Himmelbett.

Samstag

Der Wecker klingelt um 4.00 Uhr! Renate Ortner hat mich nämlich am Vorabend dazu animiert, an einer Sonnenaufgangswanderung auf das Weißhorn, der südlichsten Bergspitze der Dolomiten, teilzunehmen. Da ich alleine in Südtirol bin, finde ich die Idee in ihrer Gesellschaft mit anderen Hausgästen zu wandern, äußerst reizvoll. Als uns Philip mit einem Kleinbus abholt, ist es stockfinster auf dem Schotterparkplatz vor dem Hotel. Im Schein unserer Stirnlampen steigen wir ab dem Wanderparkplatz Jochgrimm auf. Kurz nach 6 Uhr sind wir auf dem Gipfel. Renate, ganz Gastgeberin, hat sogar Brotzeit mitgebracht. In der Dämmerung gibt es feinsten Südtiroler Speck, Käse, dazu Schüttelbrot, getrocknete Apfelspalten und heißen Tee aus der Thermoskanne.

Was sich dann abspielt, kann man in Worten schwer beschreiben. Das muss man einfach erleben! Still wird man in jedem Fall, meditativ und richtig dankbar, wenn man einen Sonnenaufgang hier oben erleben darf. Philip toppt später alles mit seinem grandiosen Auftritt als Goaslschnöller. Wie in einem Heimatfilm. Gegen 7.30 Uhr steigen wir ab, schließlich sollen wir noch ein zweites Frühstück in der Isihütte zu uns nehmen. Die 30-jährige Wirtin Isolde Daldoss empfängt uns erfrischend herzlich. Bernhardiner Nebia liegt gemütlich neben dem warmen Ofen in der lichtdurchfluteten Stube während wir selbst gemachte Köstlichkeiten genießen: frisch gebackenes Brot, hausgemachte Marmelade, Tee aus Kräutern von der Alm, selbst gemachten Joghurt und Hefezopf. Als ich gegen 11 Uhr im Hotel ankomme, habe ich bereits viel erlebt und dennoch den ganzen Tag vor mir. Ist das nicht herrlich? Ich packe mein Buch und genieße die Stunden still auf der Veranda, eingepackt in eine Decke.

Sonntag

Nach einem reichhaltigen Frühstück in tollem Ambiente mache ich mich auf den Weg in den Geoparc Bletterbach. Vom Gipfel des Weißhorns konnte ich gestern die imposante Schlucht einsehen. Das steingewordene „Buch“ der Erdgeschichte Südtirols ist 8 Kilometer lang, 400 Meter tief und dokumentiert in einem geologischen Lehrpfad die Geschichte der letzten 250 Millionen Jahre. Südtirol, so erfahre ich hier auf Schautafeln, befand sich damals in der Nähe des Äquators und wurde später, im Zuge der Kontinentaldrift, weiter in den Norden verschoben. Ich wandere durch den Grand Canyon Südtirols, vorbei an kleinen Wasserfällen, Felsformationen, die mit etwas Fantasie aussehen wie Gesichter, ich bestaune Korallenablagerungen, Versteinerungen und werde zu guter Letzt noch in die Sagenwelt des Riesen Grimm entführt.

15 Uhr. Der Abschied aus Radein fällt mir schwer. Zu gerne möchte ich verlängern, weitere Streifzüge in der Natur unternehmen und vielleicht ein Heubad buchen. Daher reserviere ich schon jetzt ein paar Tage im August. Dann werde ich auf der Terrasse speisen, im hauseigenen Pool schwimmen und bis spät in die Nacht auf dem Balkon sitzend der Stille lauschen . . .

Wandertipp 1

Weißhorn (2316 m), leicht

Gehzeit Aufstieg: ca. 1 Stunde; 327 Hm; Abstieg: 45 Minuten, 327 Hm
Ausgangsort: Jochgrimm (1989 m), Wanderparkplatz.
Route Über die wiesenbedeckten Südhänge des Weißhorns hinauf bis zum Latschengelände, dann auf Steigspuren mühelos bis zum felsigen Gipfel. Hier hat man einen wundervollen Ausblick aufs gesamte Etschtal, Unterland, Überetsch bis hin zu den Dolomiten mit Latemar und Rosengarten.
Wer direkt vom Hotel aus starten will: Von Oberradein (1562 m) aus, an den Lanerwiesen entlang zum Jochgrimm. Hotel-Jochgrimm Gehzeit: ca. 1 Stunde.

Wandertipp 2

Geoparc Bletterbachschlucht (1456 – 1538 m), leicht
Gehzeit Lehrpfad Rundweg. Aufstieg: 1,5 Stunden, 250 Hm, Abstieg: 1 Stunde, 250 Hm, gesamt 2,5 Stunden.

Ausgangsort Villa Berghofer (1500 m).
Route Der Canyon Bletterbach ist über den Wanderweg Nummer 4 in 15 Minuten vom Hotel zu erreichen. Der geologische Lehrpfad des Canyons beginnt ca. 45 Gehminuten vom Hotel entfernt. Gut ausgeschildert.

Info

Villa Berghofer, Radein Südtirol
berghofer.it

Anreise ab München: 322 km, Brennerautobahn A 22, Ausfahrt Neumarkt-Auer, SS 48 Richtung Cavalese, nach 21 km bei Kaltenbrunn links abbiegen nach Radein (7 km)

Isihütte, Jochgrimm, 1800 m (Dienstag Ruhetag)
(linnk:http://www.isi.st)

Südtiroler Archäologiemuseum, Bozen
Sonderausstellung Ötzi 20
iceman.it
Geöffnet Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr

Geoparc Bletterbach, Adlein
bletterbach.info
Geöffnet 1. Mai bis 1. November, täglich