Fotogalerie starten

Im Zickzack-Kurs durch Irland

Hausbootfahren für Anfänger

"No experience necessary. No license required." So wirbt Irlands Hausboot-Anbieter Emerald Star auf dem Cover seines aktuellen Folders. Ohne Vorkenntnisse ein Hausboot fahren? Sicher durch Schleusen manövrieren? Einparken? Ausparken? Gegenverkehr? Brücken? Ich kann es mir schwer vorstellen und hoffe schwer darauf, dass meine Mitreisenden mehr Ahnung und vor allem Erfahrung haben.

Nach der Ankunft am Startpunkt, Carrick-on-Shannon, erwartet uns in der Marina eine Einweisung durch einen Profi. Keine 15 Minuten dauert unser Crashkurs. Hinterher weiß ich, dass ich nichts weiß. Was ich behalten konnte? Wenig: Wie man startet, vorwärts fährt und retour und - immerhin - wie man die Heizung anmacht. Nach einer Videovorführung, bei der erneut alles Wichtige zusammengefasst wird, bekommen wir den Schlüssel für unser Boot.

Was für ein schöner Name: "Magnifique" nennt sich unser 16 Tonnen schweres und 14 Meter langes Wohnmobil, auf dem wir die nächsten vier Tage verbringen dürfen. Es bietet theoretisch Platz für 8-10 Personen. Wir bewohnen es zu viert. Was mir auf Anhieb gefällt: die Reduktion auf das Nötigste. Meine Kabine: Einfach, aber gemütlich. Die eigene Nasszelle inkludiert auf einem halben Quadratmeter Dusche, Waschbecken und Toilette. Der Salon bietet im Vergleich dazu viel Platz. Und: Eine Küche hat es auch. Mit an Bord: ein Fahrrad für jeden und dicke Rettungswesten. Ob wir sie brauchen werden?

Das Boot verfügt über zwei Steuerstände. Einer indoor, der zweite draußen auf dem Oberdeck. Wir Anfänger nutzen bis zum Schluss, auch bei strömendem Regen, nur das Steuerrad auf dem Oberdeck. Der Über- und Aussicht wegen. Wer wir sind? Ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Journalisten aus ganz Deutschland. Stralsund bis München. Wir sind zu neunt und fahren auf zwei Booten den Shannon Erne Waterway ab.

Der Shannon Erne Waterway ist 63 Kilometer langer Verbindungskanal zwischen dem Shannon (Republik Irland) und dem Erne, der hauptsächlich durch Nordirland fließt. Der Kanal bildet zusammen mit dem Shannon, den Erne-Seen und dem Grand Canal das größte Hausboot Revier Europas. Freizeitkapitänen stehen über 800 Kilometer zusammenhängende Wasserwege zur Verfügung.

Am ersten Tag wird eingekauft, werden die Boote mit Lebensmitteln und reichlich Getränken bestückt. Nach ein paar Probefahrten und einer ersten Nacht an Bord geht es richtig los. Katja arbeitet für Le Boat. Das Unternehmen, eine TUI Tochter, vermietet mehr als 600 Hausboote in ganz Europa. Dazu gehört auch die Flotte von Emerald Star, dem irischen Ableger von Le Boat. Dass Katja ein Hausboot steuern kann, beruhigt mich. Auf unserem Schwesterschiff übernimmt Peer, später von uns nur noch "Seepeer" genannt, erst einmal das Kommando. Er ist ein echter Marine-Fachmann. Mit seemännischer Ausbildung auf dem Großsegler "Gorch Fock", was mich extrem beeindruckt. Die ganze Welt hat er bereist. Immer auf dem Wasser. Darüber hat er zahlreiche Bücher geschrieben. Eines davon, "Erlebnis Kreuzfahrten" hat er mir geschickt. Mit einer tollen Widmung und einem imposanten Stempel der Gorch Fock verziert. Zurück zum Boot: Zwei Profis und sieben Ahnungslose legen ab. Wer mit dem Gedanken spielt, ein Hausboot zu mieten, sollte zumindest eine Person an Bord haben, die sich ein wenig auskennt, denn Lehrlinge brauchen ein paar Stunden ehe sie ein Hausboot halbwegs sicher manövrieren können.

Als ich das erste Mal das Steuer übernehme ist der Shannon so breit, dass nichts schiefgehen kann. Dennoch: ich spüre selbst, dass ich tendenziell zickzack und alles andere als in der idealen Linie fahre. Warum? Weil ich viel zu hastig lenke, einschlage wie beim Autofahren und quasi nur am Korrigieren bin. Von einer Korrektur - zick - bis zur nächsten - zack. Aber irgendwann habe ich den Dreh raus. Leichte Lenkmanöver, behutsam am Steuer, warten bis der Kahn quasi "antwortet". Man bekommt rasch ein Gefühl dafür, wo der Schwerpunkt liegt und wie wenig es braucht, um das Hausboot geschmeidig zu steuern. Was mir auffällt: Das Boot lässt sich bei ca. 10 km/h deutlich besser lenken als bei 5. Eine gewisse Grundgeschwindigkeit erleichtert den Anfang. Bei der ersten schmalen Brücken-Durchfahrt bin ich nervös. Tempo drosseln! Im Extremfall sogar Rückwärtsgang einlegen und so zum Stillstand kommen. Bremsen gibt es keine. Vereinzelt weisen Verkehrsschilder auf ein Tempolimit hin. In schwierigen Passagen wird über rote und grüne Markierungen auf Pfählen die Linie vorgegeben, die man tunlichst zu fahren hat, will man nicht auf Grund laufen.

Das Bugstrahlruder ist die Geheimwaffe, wir nennen es die "Mogelpackung". Bei schwierigen Steuermanövern ist es die Rettung und völlig simpel zu bedienen. Ein Knopf für jede Richtung bringt dich rasch zurück in die Ideallinie. Hat man erst einmal ein paar Brückendurchfahrten erfolgreich gemeistert, freut man sich sogar auf die nächste Challenge. Doch das ist nichts im Vergleich zu einer Schleuse. Die ersten Schleusen fahren selbstverständlich Katja und Peer. Wir Marine-Novizen sind der Verantwortung (noch!) nicht gewachsen. Als an einem Tag aber eine siebenstündige Fahrt mit insgesamt 11 Schleusen ansteht und es wie aus Eimern schüttet, ist uns klar, dass wir Katja keinesfalls den ganzen Tag alleine im Regen stehen lassen können. Jeder muss ran. Jeder bekommt einen Job. Jeder trägt Verantwortung. Einer hat das Sagen und gibt Kommandos. Laut und deutlich.

Vor der Einfahrt in die Schleuse legen wir an. Ich verlasse das Boot, denn meine Aufgabe ist es, die Schleuse manuell zu bedienen. Einen Wärter gibt es in dem Fall nicht. Dazu habe ich habe eine Chipkarte, die wir in der Marina besorgt haben, in der Hand und suche nervös nach dem Bedienkasten und entsprechendem Einfuhrschlitz. Karte rein und nun?

So viele Knöpfe! Hilfe! Sie sind gut beschriftet "Let Water in", "Let Water out", "Close Gate", "Open Gate". In zweifacher Ausführung für jedes Tor. In der Mitte unübersehbar der Notfallbutton. Ruhe bewahren. Klar denken. Was will eigentlich? Es geht flussaufwärts. Circa 5 Meter Höhenunterschied müssen überwunden werden. Schleusentore schließen. Wasser ablassen. Linkes Schleusentor öffnen. Unser Boot kann einfahren. Schleusentor schließen. Wasser einlassen bis wir das Niveau des Flusses auf der anderen Seite erreichen. Rechtes Schleusentor öffnen. Das Boot kann ausfahren. Klingt einfach, ist es aber anfangs nicht. Dazwischen muss ich Leinen, die mir meine Crewmitglieder zuwerfen, über entsprechende Böller legen und wieder zurück an Bord werfen, damit unser Hausboot in der Schleuse vom Boot aus stabil gehalten werden kann. Denn in der Schleuse macht man üblicher Weise den Motor aus.

Bei der zweiten Schleuse fehlt die Beschriftung am Bedienfeld. Ich bin derart nervös, dass ich mich nicht im Geringsten daran erinnern kann, wofür welcher Knopf nun war. Das Gute: Selbst wenn man den falschen Knopf drückt, passiert keine Katastrophe, sondern gar nichts. Das System reagiert nur, wenn man in entsprechender Reihenfolge den richtigen Knopf erwischt. Insofern kann man nach dem Prinzip Trial & Error verfahren. Das muss man allerdings nervlich aushalten. Woran ich denke? Peer hält mich sicher für einen hoffnungslosen Fall. Ich will mich vor ihm auf keinen Fall blamieren. Dann denke ich an Katja, die uns eingebläut hat, auf dem Boot nie panisch zu reagieren. Ruhig bleiben, Tempo drosseln oder stehen bleiben und in aller Ruhe überlegen, was zu tun ist. Nach diesem Prinzip verfahre ich auch als Schleusenwärter sehr erfolgreich. Am Ende des Tages, trotz wildester Befürchtungen, liebe ich Schleusen. Das Boot in und aus eine/r Schleuse zu fahren, ist am Ende nicht schwieriger als eine Brücke zu unterfahren. Das manuelle Bedienen der Schleuse hat man irgendwann auch intus. Wichtig ist, dass man als Team gut funktioniert und auf Kommandos hört. Unabdingbar: Dass die Leinen immer ordentlich aufgerollt und im Bedarfsfall wurfbereit sind.

Wenn man, wie wir 11 Schleusen an einem Tag meistert, ist man sichtlich stolz und reif für einen irischen Whisky an Deck. Hausbootfahren ist tatsächlich für jedermann leicht erlernbar und überaus vergnüglich. Das Boot verbindet. Eine mehrtägige Fahrt ist kommunikativ und kurzweilig. Was man für Schlechtwetter unbedingt mitbringen muss: wasserfeste Schuhe mit guter Sohle. Wasserdichte Regenjacke mit Kapuze, wasserdichte Hose, Mütze oder Stirnband, warmer Fleecepullover.

PS.: Was wir sonst noch auf dem Boot und an Land erleben durften, folgt in einem weiteren Beitrag. Ein dickes Dankeschön an Katja von Le Boat und Ruth von Tourism Irland, die uns auf diese Reise eingeladen und fachkundig begleitet haben. Und liebe Grüße an die Leichtmatrosen Andreas, Anne I und Anne II, Uwe, Alexandra und natürlich an unseren Kapitän Peer.

Die Bilder in der Galerie sind von mir bzw. von Dr. Peer Schmidt-Walther

leboat.de
ireland.com/de-de
psw-am-sund.de