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Licht tanken

Flucht aus dem Nebel

Seit zehn Tagen ließ sich in München der Himmel, geschweige denn die Sonne nicht mehr blicken. Die Stadt wurde von einer Nebeldecke verschluckt. Manchmal lugte ich am Schreibtisch sitzend auf eine der vielen Webcams, die in den Alpen aufgestellt sind und sah sie, die Sonne. Zumindest digital. Die reinste Wohltat.

Und dann noch die frühe Dunkelheit ab 17 Uhr. Ich mag den November nicht. Den Dezember – bis auf Weihnachten – auch nicht. Das Aufstehen fällt nach der Zeitumstellung plötzlich schwer. Und mit der Dunkelheit häufen sich auch trübe Gedanken. Oft denke ich in dieser Zeit an die armen Würstchen ganz oben im hohen Norden. Monatelang müssen die Menschen nördlich des Polarkreises ohne Tages- bzw. Sonnenlicht auskommen. Nicht auszudenken wäre das für mich. Nun ja, gerechter Weise bekommen sie dann im Sommer eine Überdosis Licht in Form der Mitternachtssonne wieder retour. Dennoch: Leben könnte ich dort nicht. Nicht dauerhaft.

Gestern kurz nach dem Aufstehen: Hastiger Blick auf die Webcam an der Zugspitze. Grandios! Sonne pur. Darunter eine fette Nebeldecke. Im 360 Grad Panorama kann man genau erkennen, welche Gipfel aus dem Nebelmeer ragen und welche nicht. Auch der Gipfel des Wank schafft es mit seinen 1780 Metern dem Nebel zu entfliehen. Nichts wie hin! Ab Farchant steigen wir Richtung Esterbergalm in Serpentinen steil nach oben. Trüb, grau und ungemütlich ist es hier. Jedoch: Die milden Temperaturen lassen den vor ein paar Tagen gefallenen Schnee schmelzen. Es taut wie verrückt. Man kann es hören. Wie das klingt? Na, wie Regen eben. Nur, dass die Tropfen nicht vom Himmel, sondern von den Bäumen fallen. Eigentlich schön, dieses Naturkonzert. Erstaunlich viele Menschen sind unterwegs. Sogar ein paar Mountainbiker schrauben sich nach oben. Sie alle haben wie ich den Nebel dick. Rauf, rauf, rauf. Raus, raus, raus. Ab 1.100 Metern Höhe wird es heller. Ein paar Höhenmeter noch.

Dann der Durchbruch. Göttlich! Endlich Licht! Stehen bleiben. Schauen. Genießen. Aufatmen. Weiter gehen! Noch mehr Licht! Noch mehr Panorama!

Am Wank ist sogar das Gipfelbankerl frei. Ein Logenplatz in der Natur. Vor uns das mächtige Zugspitzmassiv. Hinter uns die Spitzen des Hohen Fricken, Oberen Risskopf, Bischof und Krottenkopf. Und unter uns? Das dicke, dicke Nebelmeer. Es reicht bis weit hinter München. Sonne! Sonne! Licht! Luft …

Wir da oben, die da unten … Ich fühle mich "erleuchtet" und das im reinsten Wortsinn. Wir bleiben lange sitzen, machen Fotos und wollen gar nicht wieder runter. In die Suppe.
Es wird spät. Abstieg gegen 16.30 Uhr. Eine halbe Stunde später geht die Sonne unter und verschwindet hinter dem Zugspitzmassiv. Vorher allerdings gibt sie noch einmal alles und hüllt den ganzen Himmel über Reflexionen mit dem Nebel in ein grelles gelb-oranges Licht. In der Intensität habe ich so etwas noch nie gesehen. Kein grünes Nordlicht. Ein gelbes Südlicht.

Was für ein Spektakel!